Squirting – Die sprudelnde Lust, Teil 1

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Squirting – Die sprudelnde Lust, Teil 1

 
 


 

Sind ejakulierende Frauen ein Internetmythos? Die Autorin Theresa Bäuerlein wollte es genau wissen. Und hat Hand angelegt.

Es ist Abend, ich sitze in meinem Bett und sehe einer rothaarigen Frau dabei zu, wie sie sich unter leisem Knurren und Juchzen mit mehreren Sex-Toys vor einem Spiegel befriedigt. Gerade fange ich an, den Clip ein bisschen langweilig zu finden, als die Frau den Kopf zur Seite wirft, stöhnt und ein nasser Strahl den Spiegel trifft. Ich starre auf den Bildschirm und verstehe nicht, was ich da gerade gesehen habe. Die Frau in dem Video macht derweil munter weiter. Sie schiebt einen unbehaglich großen Dildo zwischen ihre Beine und hat noch einen Orgasmus, ziemlich explosiv. Und wieder sieht es haargenau aus, als würde sie pinkeln.

Frauen, die beim Sex wie Männer spritzen – das ist einer dieser Sexmythen, von denen ich immer wieder gehört habe. Eine Freundin erzählte mir einmal betrunken, dass man nach ihren Orgasmen durchtränkte Bettlaken wechseln müsse. Und ein Bekannter behauptete neulich, er habe sich nach dem Höhepunkt seines One-Night-Stands in einer Art Lustlache wiedergefunden.

Das Pornofachwort für die weibliche Ejakulation lautet Squirting, damit findet man die rothaarige Frau und andere Videos. Trotzdem glaube ich immer noch nicht so ganz daran, dass es das gibt. Vielleicht besteht die weibliche Ejakulation einfach aus Urin? Handelt es sich um eine Männerfantasie, die von der Pornoindustrie bedient wird? Wenn die Frau spritzt, hat man es ihr ja anscheinend ziemlich gut besorgt.

Wenn ich einen Orgasmus habe, muss danach überhaupt nichts aufgewischt werden, meine Höhepunkte sind bettwäschefreundlich. Außerdem sind sie ziemlich kurz. Ich habe die Dauer meiner Orgasmen nie gemessen – ich habe ja wirklich anderes zu tun. Aber ich weiß mit Sicherheit, dass sie nicht länger dauern als ein kräftiger Niesanfall. Ich hege die Vermutung: Sofern Frauen ejakulieren, haben sie auch bessere, längere, vielleicht sogar multiple Orgasmen. Google erhärtet meinen Verdacht: Gibt man „weibliche Ejakulation“ ein, kommen über eine halbe Million Resultate, das Wort „Megaorgasmus“ durchzieht sie wie leuchtende Punkte den Nachthimmel. Anscheinend gibt es Frauen, die fünfzehn Minuten lang kommen. Brauchbare Informationen sind allerdings dünn gesät. Mal heißt es, nur manche Frauen könnten ejakulieren, dann wieder, dass alle Frauen beim kommen spritzen müssten, es aber unbewusst unterdrücken würden. Allmählich muss ich anerkennen: Die weiblcihe Ejakulation gibt es wirklich.

Ich dringe tiefer in die Materie ein. 400 Jahre vor Christus hat Hippokrates „nächtliche Pollutionen“ bei Frauen beschrieben, bei denen „eine sehr reichliche und sehr starke Menge des Samens durch Kitzeln der Geschlechtsteile“ hervorbreche. Damals dachte man, dass sowohl Männer als auch Frauen Samen bilden, um sich fortzupflanzen. Auch in den Aufklärungsbüchern des 18. Und 19. Jahrhunderts ist von ejakulierenden Frauen die Rede. Danach geriet das Thema in Vergessenheit – warum auch immer.

In den Neunzigerjahren hat die Kölner Medizinerin Sabine zur Nieden für ihre Doktorarbeit 300 Frauen zum Thema befragt. Demnach hat jede dritte Frau schon einmal ejakuliert, jede zehnte Frau gab sogar an, dass sie beim Sex jedes Mal ejakulieren würde. Das „Journal of Sexual Medicine“ veröffentlichte 2007 eine Studie, in der das Ejakulat von Frauen untersucht wurde. Ergebnis: Biochemisch ist es kein Urin, sondern ähnelt jenem Sekret, das in der männlichen Prostata produziert wird und das sich vor der männlichen Ejakulation mit den Spermien vermischt. Die Drüsen, in denen das weibliche Ejakulat produziert wird und die die Harnröhre umgeben, ähneln der männlichen Prostata. Damit ist mit den Parallelen aber noch nicht Schluss: Die männliche Prostata ist sexuell sehr reizbar, was aber viele Männer nicht wissen, weil man sich dazu einen Finger anal einführen muss. Äußerst empfindlich ist auch die weibliche Prostata. Sie ist übrigens besser bekannt unter dem Namen G-Punkt.

Der G-Punkt! Mein alter Gegner. Den G-Punkt suchen ist ja, als würde man im Dunkeln nach einem Lichtschalter tasten. Weil es für mich dabei bisher keinen Aha-Effekt wie bei der Klitoris gab, kein eindeutiges Lustgefühl, habe ich den G-Punkt einfach abgeschrieben. Jetzt aber habe ich keine Wahl, denn alle meine Quellen stimmen in einer Sache überein: Ohne einen ausführlich stimulierten G-Punkt kann ich das Spritzen vergessen.

Um meine Beziehung zu schonen, beschließe ich, meinen Mann erst einmal nicht auf G-Punkt-Expedition in die Tiefen meiner Vagina zu schicken. Da ich nicht besonders geduldig bin, würde ich ihn nach fünf Minuten mit lautem Räuspern nerven, während er die anatomischen Zeichnungen aus meinen Fachbüchern mit der Realität zwischen meinen Beinen vergleichen würde.

Stattdessen bestelle ich mir ein Stimulationswerkzeug. Und zwar will ich etwas Puristisches, keines dieser sich drehenden, blinkenden, hasenförmigen Teile, die alles Mögliche auf einmal stimulieren. Ich will ein Toy, das eindeutig den G-Punkt erregt, keine Unterleibsdisko. Als ich es auspacke, steht Tom neben mir. Der Dildo ist nichts besonders groß und aus einem äußerst samtigen Silikon gemacht. Er sieht aus wie ein kurzer, konturloser Penis, dem ein schrecklicher Unfall widerfahren ist: An der Spitze ist er platt. Tom nimmt ihn in die Hand. „Mann, fühlt sich das gut an“, sagt er und klingt fast neidisch. „Das ist meins“, sage ich bestimmt und verschwinde mit dem Dildo und diversen Sexratgebern unterm Arm im Schlafzimmer.

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